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Corpus Regiminum duodecim Mensium

Die hier dargebotenen Regimina-Texte gehören zu der mittelalterlichen Gattung der Regimina Sanitatis, d.h. Regel der Gesundheit, und zwar an erster Stelle speziell zu den Regimina duodecim mensium oder Regel der zwölf Monate. Diese Regel beruhen auf Vorschriften, die schon im klassischen Altertum von griechischen Ärzten wie Hippokrates (4. Jh. BC) und Galen (2. Jh. AD) formuliert wurden. Es gibt Regimina nach Jahreszeit, also mit Gesundheitsregeln für Frühling, Sommer, Herbst und Winter, und andere nach Monat.

Die Regimina nach Jahreszeit umfassen neben Vorschriften für Aderlass und Baden vornehmlich Anweisungen für die Benutzung von Speisen und Getränken, die in der Küche und am Tisch im Rahmen der Humoralpathologie zu gebrauchen sind. Ihr Ziel ist die Bewahrung oder Zurückgewinnung des körperlichen Gleichgewichts in Bezug auf die Qualitäten der Jahreszeiten wie warm, kalt, feucht und trocken. Die Pflanzen, die dabei empfohlen werden, sind meistens alltäglich verwendete grüne Kräuter. Diese Regel für die Gesundheit nach Jahreszeit wurden im West-Europa seit dem 12. Jahrhundert verbreitet und zunehmend populär, vorerst auf Latein und dann allmählich in vielen Volkssprachen.

Die Regel nach Monat umfassen neben Anweisungen für Aderlass und Baden vornehmlich Kräutergetränke mit einer reinigenden Wirkung wie Laxativa und Diuretika aber auch Diarrhoe-hemmende Mittel. Solche Kräuter, die nachts in Wein eingeweicht morgens früh nüchtern genossen werden sollten, waren nicht für die Küche gemeint. Ein Beispiel, das vom 8. bis zum 16. Jahrhundert begegnet, ist die Empfehlung Wermut im Mai einzunehmen. Diese Regeln waren viel früher als die Regeln nach Jahreszeit in West-Europa bekannt, zuerst auf Latein und später in allen Volkssprachen, und müssen anderer Herkunft sein, obwohl die Wirkung der Kräuter ebenfalls aus den griechischen Texten des Galen herzuleiten ist.

Im Laufe des Mittelalters haben sich die beiden Textarten der Regel vermischt, weil ihre genaue Bedeutung vergessen wurde. Vornehmlich die Regeln nach Monat wurden sehr populär und gewannen die Bedeutung einer Art Volksmedizin, obwohl sie manchmal fehlerhaft aus dem Latein übersetzt waren.

In der hier gebotenen Sammlung sind möglichst viele Monatsregeln auf Latein und in den Volkssprachen aus West-Europa im breiten Umkreis der Niederlande aufgenommen, vom Lorscher Arzneibuch des 8. Jahrhunderts (Latein) bis zum Regiment der Ghesontheyt des 16. Jahrhunderts. Die Volkssprachen sind Formen des Niederdeutschen in breitem Sinn.

Welche Erkenntnisse kann man aus dieser Sammlung gewinnen? Das hängt von der jeweiligen Fragestellung ab. Wofür wurde eine bestimmte Pflanze benutzt? Wann, wie lange und wo? Gibt es feste Kombinationen? Welche Eigenschaften werden einer Pflanze zugemutet? In wieweit begegnen dieselbe Pflanzen auch in den Kochbuchrezepten? Usw.

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Autor:

geboren 1927 in Amsterdam (Niederlande); Geschichtsstudium 1945-1953 in Groningen (Niederlande) und Gent (Belgien), mit Hauptfach Mittelalter. Arbeitstätig an der Universität Utrecht (Niederland), 1953-1989. Emeritiert doch immer an der Forschung über Adel und Rittertum, und Nahrung und Gesundheit im Mittelalter.