Die Angaben zur Verwendung von Gewürzen ist – wie die verwendeten Gewürze selbst – seit der Erforschung von mittelalterlichen Kochrezepten ein vieldiskutiertes Thema, und die möglichen Erklärungsvorschläge polarisieren auch noch die moderne Forschung. Man hat zwar das Argument, dass (vor allem die exotischen) Gewürze verwendet würden, um verdorbenes Fleisch genießbar zu machen, endgültig als nicht haltbar erklärt, trotzdem bleiben die Menge der verwendeten Gewürze, die Gründe für deren Verwendung und das damit implizierte Fachwissen zentrale und nach wie vor nicht ausreichend geklärte Streitfragen. Es gibt verschiedene Erklärungsmodelle, welche die Informationen, die Kochbücher in Bezug auf das Würzverhalten bieten, zu beschreiben versuchen: Die gängigsten interpretieren Gewürze als Maß für den Reichtum eines Haushaltes, als Konservierungsmittel, als medizinische Ingredienz oder stellen ein weitreichendes Fehlen an Würzinformationen fest (Baufeld, Bober, Hirschfelder, van Winter, Weiss-Adamson, Wiswe etc.). Problematisch dabei ist aber, dass derartige, verallgemeinernde Aussagen die individuellen Gegebenheiten auf Textebene oder den Entstehungshintergrund der jeweiligen Rezeptsammlung nicht berücksichtigen – Fakten also, die eine Nennung von Gewürzen in Rezepttexten sehr wohl beeinflussen können.
Viel ergiebiger erscheinen dazu die jüngsten Editionen zu deutschsprachigen Kochbuchhandschriften (Ehlert), in denen vor allem in den Stellenkommentaren fortschrittliche Untersuchungsergebnisse präsentiert werden. Aber auch hier zeigt es sich, dass individuelle Interpretationen zwar vereinzelt zutreffend sein mögen, dass sie aber nicht das Potential haben, als Basis für allgemeinere Darstellungen zu dienen. In statistischen Untersuchungen, die meist den (Neu-)Editionen angeschlossen sind, gibt es Erhebungen zur Verwendung von einzelnen Zutaten (u. a. Gewürzen). Dabei wird aber nur die Frequenz der Nennung und nicht die Kombination mit anderen Zutaten (anderen Gewürzen) berücksichtigt, und kann somit als nur bedingt aussagekräftig gelten. Was aber klar hervorgeht ist, dass im Vergleich einzelner Rezeptsammlungen ein nahezu identisches Inventar an Gewürzen festgestellt werden kann, ein Umstand, der nur teilweise durch die bestehenden Parallelüberlieferungen bedingt ist.
In der vorliegenden Arbeit soll nun versucht werden, herauszufinden, ob und wie eine Analyse des Gewürzumfeldes (vor allem die Kombinationen Gewürz / Gewürz bzw. Gewürz / Hauptzutat) ein differenzierteres Bild zur Verwendung von Würzmittel im Mittelalter liefern kann, und wie weit bestehende Forschungsergebnisse angepasst werden können / müssen. Hauptziel der Untersuchung sollte sein, charakteristische Merkmale zur Verwendung einzelner Gewürze herauszuarbeiten und diese an einer breiteren Textbasis abzugleichen, um so möglichst allgemein gültige Ergebnisse zu erzielen.
Die vorliegende Seminararbeit wird voraussichtlich in einem Sammelband zum Doktoratsseminar “Binarität und Skalarität als kulturelle Ordnungsmuster – Kategorien und Typologien in den Kulturwissenschaften“ von Wernfried Hofmeister, Bettina Rabelhofer und Klaus Rieser (SS2010, Karl-Franzens-Universität Graz) Anfang 2011 veröffentlicht.
Der Aufsatz wurde in leicht geänderter bzw. ergänzter Form in Medium Aevum Quotidianum 61 (2010) veröffentlicht.
PDF zum Download: Klug, Helmut W.: Zur Verwendung von Gewürzen in mittelalterlichen Kochrezepten.
Ich habe in der Einleitung zu meiner Ausgabe des “Liber de Coquina” einen rein statistischen Ansatz gewählt, um 7 Kochbücher von Apicius bis zum Viandier zu klassifizieren. Dazu wurde der Anteil der Rezepte verwendet, in denen bestimmte Zutaten vorkamen. Interessanterweise folgte die Verwendung von Pfeffer ungefähr der chronologischen Reihenfolge: Sie nahm im Lauf der Jahrhunderte ab. Andere Zutaten traten regional häufiger auf, so trat Ingwer in Rezepten aus dem französischen Kulturraum häufiger auf als in den anderen. Eine Ausweitung dieser Untersuchungen ist in jedem Fall wünschenswert.